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ADHS im Erwachsenenalter

Übungen im Abgrenzen

helfen bei der Suche nach dem Selbst.

Das wächst sich aus“, - diese Devise trifft gerade bei ADHS nicht immer zu. Inzwischen weiß man, dass zwei Drittel der Erwachsenen, die als Kinder ein ADHS hatten, auch im Erwachsenenalter mit der ADHS-Symptomatik zu kämpfen haben.
Bei etwa einem Drittel der Betroffenen bleibt auch im Erwachsenenalter die Symptomatik so ausgeprägt, dass eine Behandlung angeraten ist. Die Notwendigkeit zur Therapie ergibt sich aus dem individuellen Leidensdruck.

Symptomatik und Diagnosekriterien sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

Tab. 1: Wender-Utah-Diagnosekriterien bei ADHS im Erwachsenenalter

A

Aufmerksam-keitsschwäche

Konzentrationsprobleme; Schwierigkeiten, dem Gespräch aufmerksam zu folgen; Vergesslichkeit; Verlieren alltagsrelevanter Gegenstände wie Schlüssel, Geldbeutel etc.

B

Motorische Hyperaktivität

Gefühl innerer Unruhe; Unfähigkeit zur Entspannung; Meiden von Situationen, die längeres Sitzen oder Stillhalten erfordern.

C

Affektlabilität

Bereits seit dem jugendlichen Alter andauernde, schnelle Wechsel der Gefühls-zustände von normaler Stimmung in leichte Niedergeschlagenheit bis zu leichtgradiger Erregung (keine Euphorie).
In Abgrenzung zu den depressiven Störungen kein Interessensverlust und keine körperlichen Symptome. Die Stimmungswechsel lassen sich immer aus dem jeweiligen Zusammenhang heraus nachvollziehen.

D

Desorganisiertes Verhalten

Deutliche Probleme mit der Organisation von Terminen und Arbeitsabläufen; wenig zielge-richtete Lösungsstrategien; viele Aufgaben werden begonnen, wenige zu Ende gebracht.

E

Affektkontrolle

Reizbarkeit; geringe Frustrationstoleranz; Affektdurchbrüche, insbesondere im Straßenverkehr etc.

F

Impulsivität

Dazwischenreden; nicht warten können; Ungeduld.

G

Emotionale Überreagibilität

Überschießende Reaktionen unter normalem Alltagsstress; teils ängstlich.

Auswirkungen

Störungsfolgen und damit Behandlungsgründe können sein:

  • Drohender Verlust des Arbeitsplatzes wegen „ADHS-typischen Verhaltens“
  • Angst, wegen innerer Unruhe verrückt zu werden
  • tiefe Depression
  • extreme Antriebslosigkeit
  • ständig gespannte Ärgerlichkeit, die zu gesellschaftlicher Isolation führt
  • dauerhafte motorische Unruhe
  • übermäßiger Alkohol-und Nikotin- und/oder Cannabiskonsum
  • Verlust der Fähigkeit, den Alltag zu organisieren
  • das Gefühl, allen Geräuschen ausgeliefert zu sein
  • extreme Sensationslust, die zur Selbstgefährdung führt
  • permanente Angst, keinen Durchblick mehr zu haben oder unter abruptem Abbruch der Konzentration zu leiden

Trotz stärkerer Bewältigungsmechanismen beim Erwachsenen stellt ADHS meistens eine schwere Belastung in der gesamten Biographie dar. Schon von früher Kindheit an erleben die Patienten ihr „Anders-Sein“, häufig mit negativen oder verständnislosen Reaktionen der Umwelt. Laufend erhielten sie ja Botschaften, dass etwas mit ihnen nicht in Ordnung sei, in Schule, Familie und Freundeskreis.
Die Patienten erkennen die Diskrepanz zwischen ihrem Potential und ihrem tatsächlichen Leistungsniveau. Diese Unfähigkeit, das eigene Potential auszuschöpfen, ruft ein Gefühl des Verlustes, der Trauer, hervor.

Wird sie nicht verarbeitet, kann dies eine andere Emotion verstärken, über die die Patienten häufig berichten: Zorn und Jähzorn, der bei dem geringsten Anlass unkontrolliert ausbrechen kann. Dies ruft Frustration und Hilflosigkeit hervor. Den hierdurch ausgelösten Schmerz muss der Patient abwehren, leider oft durch inadäquate Wutausbrüche, die in der Umwelt wiederum Unverständnis und Ablehnung auslösen.

Verstärkt wird der Zorn durch eine emotionale „Dünnhäutigkeit“, eine Unfähigkeit Reize zu filtern oder abzublocken. Die „emotionale Haut“ ist dünn wie Papier, lässt alle Umgebungsreize ungebremst durch, und löst so eine emotionale Überflutung aus. Die Welt ist für den Patient ein Ort voller Lärm und Chaos.
Diese Reizüberflutung verstärkt die Verwirrung, in der der Patient sich befindet.

Als Kompensationsmechanismus ist bei einigen Betroffenen ein häufig sehr starres Festhalten an Vorstellungen und Routine-Abläufen zu verstehen.Abweichungen von eingespielten Abläufen ziehen ihnen regelrecht das mühsam gewonnene Fleckchen Boden unter den Füßen weg und lösen unter Umständen panikartige Reaktionen aus. Die hierdurch resultierende mangelnde Flexibilität wird den Patienten wiederum häufig vom beruflichen und privaten Umfeld vorgeworfen.

Bei anderen Patienten ist Routine gleichgesetzt mit „Langeweile“. In einem sich ständig wiederholenden Alltagsleben sind sie noch schwerer in der Lage, ihre Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten und begehen dann häufig Fehler aus vermeintlicher Oberflächlichkeit.
Folgen dieser Symptome sind mangelnde Selbstachtung, Schwierigkeiten im Umgang in Gruppen und eine für das Gegenüber teilweise unverständliche Aggressivität.

Besonders gravierend können die Auswirkungen von ADHS für die Partnerschaft sein. Die partnerschaftliche Kommunikation ist häufig eingeschränkt, da der Patient Probleme hat, aktiv zuzuhören und nicht abzuschweifen oder impulsiv dazwischen zu reden. Dies gilt im Umgang mit der gesamten Familie und den Freundeskreis, so dass es zu Rückzugstendenzen bei eigentlich engen Vertrauten kommen kann. Die hieraus resultierende Isolation belastet erneut die Partner.

Begleiterkrankungen
Erwachsene Patienten mit einer relativ hohen Restsymptomatik tragen ein erhöhtes Risiko für andere psychische Störungen und Krankheiten: neben häufigen Schlafstörungen kommt es häufig zu affektiven-, depressiven, Angst- oder Essstörungen. Der Anteil von ADHS-Patienten ist beim Borderline-Syndrom erhöht. Es besteht eine höhere Suchtgefährdung.
Wie schon bei den Kindern ist die Gefahr von Unfällen erhöht.

Therapie

Individualisierung des Störungsbildes

Wie bei den meisten Erkrankungen ist eine Individualisierung des Störungsbildes dringend erforderlich! Ziel muss es sein, ein möglichst genaues Bild von den Stärken, Schwächen, Teilleistungsstörungen und der Lebenssituation des Patienten zu bekommen. Dadurch können Ressourcen dazu genutzt werden, Schwächen zu mindern oder auszugleichen. Nur auf dieser Basis können therapeutische und beraterische Interventionen sinnvoll geplant werden.

Hierfür werden persönlich geeignete Strategien zur Problembewältigung in den verschiedenen Behandlungsformen unseres Hauses erarbeitet.

Eine sinnvolle Unterstützung kann die medikamentöse Behandlung sein. Die Einstellung erfolgt ggf. in einer für den jeweiligen Patienten zugeschnittenen Dosisfindung. Ziel ist es, „so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig“ einzusetzen, um eine gute Verträglichkeit zu gewährleisten.
Alternativ oder ergänzend kann der Einsatz von individuell ermittelten homöopathischen Medikamenten erfolgen. Hierdurch lässt sich der Gebrauch von Psychopharmaka ersetzen, unterstützen und die Wirkung ergänzen.

Therapieziele:
•  Symptomreduktion
•  Besser mit sich und der Umwelt klar kommen
•  Erreichen eines größeren inneren Gleichgewichts
•  Wahrnehmung verbessern
•  Begleit- und Folgeerkrankungen beseitigen
•  Eigene Fähigkeiten erkennen und effektiv nutzen